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Am Samstag früh auf dem Zürich HB. Offiziell weiss niemand auf, welchem Gleise die Mikado einfahren wird. Nur ein paar Fotografen haben offenbar bessere Informationen. Sie stehen bereits daneben. Macht nichts. Denn ein paar Geleise weiter weg ist die Sicht noch besser. Aber halt da kommt doch die AE 6/6 und der Zug daran ist auch nicht unbekannt. Die Elektrolok könnte heute Morgen gerade der Fabrik entfahren sein. Genauso die später eintreffende Dampflok. Vermutlich haben einige Lokreiniger eine Nachtschicht hinter sich. Der Direktor und ein Teil der Speisewagenbesatzung stehen auch schon auf dem Bahnsteig. Somit kann es doch bald los gehen ....
Die Reise mit dem Dampfzug in die Vergangenheit ist allein schon ein kleines Abenteuer. Kein Taktplan diktiert den Anschlusszug. Dafür regt sich irgendwann der Magen. Das Bedürfnis nach einem warmen Essen erinnert an die Buchung im Speise wagen. Rechtzeitig eingetroffen wird dort gerade aufgedeckt. In eleganten Kostümen aus der damaligen Zeit wird bald einmal ein feines Mittagessen aufgetragen. Dazu einen lieblich süssen Weisswein mit dezentem Fruchtgeschmack, der bestimmt auch die Damenwelt entzückt und danach garantiert wirklich kein Säuregefühl im empfindlichen Magen hinterlässt. Mit Rotem geht es weiter. Und zum krönenden Abschluss wird noch ein vorzüglicher Grappa eingeschenkt.
Ein gediegener Speisewagen mit weissen Tischtüchern, frischen Blumensträusschen auf dem Tisch, in der wunderbaren Atmosphäre des historischen Orient Express. Dazu ein feines Nachtessen mit Salat, Kartoffelsalat und heissem Beinschinken. Die Weinkarte von einem Kenner und Geniesser mit auserlesenem Weinen im Angebot. Kein Wunder wird fleissig bestellt und genüsslich getrunken. Ein Kaffee dazwischen zur Aufmunterung. Kaum zu glauben, in der Küche wird mit echter Steinkohle gekocht und dazu von Hand abgewaschen, so halt wie von fast hundert Jahren. Welches Küchenteam erschafft heute noch unter solchen Arbeitsbedingungen wohl so genüssliche Menüs ? Davor hat sogar der Chefkellner den Hut (eine elegante Melone) gezogen und diesen sogleich auf dem Gepäckständer deponiert.
Das Wort "Führer" ist historisch etwas belastet. Lokführer dagegen weniger. Auf der Mikado gibt es am Arbeitsplatz der Lokbesatzung ganz viel Mechanik. Ventil, Manometer und einen Fahrplan auf weissem Papier. Die Männer auf der Lok müssen sich die Arbeit an der frischen oder hier wohl eher leicht ölhaltigen Luft gewohnt sein. Kalt und heiss treffen sich in kleinem Abstand. Draussen der Regen und der eiskalte Fahrtwind. Drinnen die Hitze von der sehr heissen Feuerbüchse. Also gar nichts für Weicheier. Das wissen auch die vielen charmanten Damen, die von unten dem oben aus dem Fenster schauenden Lokführer ein bewunderndes Lächeln schicken.
Wirkliche Dampfbahnfans verbrachten auch in der dunklen Nacht die Fahrt an einem offenen Fenster im Gang des Zweitklasswagens. Frischer Fahrtwind, der Duft nach Dampf und Dieselrauch und das wunderbar schlagende Geräusch der Kolben in den Dampfzylindern in Harmonie mit dem präzisen Öffnen und Schliessen der Dampfeinlassventile, dazu die Bewegungen der kräftigen Schubstangen. Ein Konzert der eigenen Art - für Kenner versteht sich - und dem Kopf mit Schutzbrille im kalten feuchten Zugwind draussen. Während dem die anderen Dampbahnf-Experten im Barwagen bei den x-ten Flasche vorzüglichem Rotwein aus dem Thurtal sich im fantasievollsten Eisenbahner Latein unterhalten.
